Fortunatus. Neuausgabe des Original von 1509
Ein Volksbuch aus dem Jahre 1509 wiederveröffentlicht
In «Fortunatus», erstmals 1509 gedruckt, zeigt sich die Notwendigkeit, sich eine Identität zuzulegen, wenn es ums Geld geht. Heute hinterfragen wir dies nicht mehr, vor 500 Jahren war es aber neu. Die Geschichte fängt mit dem Vater des Fortunatus an, der aus der feudalen Gesellschaft rausfällt, weil er nicht mehr genügend verdient, um seinen hohen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Dies symbolisiert den Zerfall der Feudalordnung.
Sein Sohn Fortunatus wird in die Emigration gezwungen und versucht dort, wieder zu Wohlstand zu kommen. Es gelingt nicht. In tiefer Verzweiflung trifft er schliesslich Göttin Fortuna, die ihm die Wahl gibt zwischen: a) langes Leben, b) Weisheit oder c) ein Säckel mit nie versiegenden Münzen. Fortunatus entscheidet sich für das Letztere. Er fühlt sich mit seinem Geld sofort allmächtig (einGefühl, das auch für den erfolgreichen Spekulanten und für den Lottokönig typisch ist) und übersieht dabei die vorherrschenden gesellschaftlichen Zwänge. Als er den Grafen für drei kostbare Pferde überbietet, lässt dieser ihn ins Gefängnis werfen – denn Rechtshoheit übt der Graf aus. Das kostet ihn fast das Leben.
Seine Lehre: Naivität in Gelddingen führt in den Ruin. Ihm wird klar, dass er fortan sein Leben auf einer Lüge aufbauen muss, denn er darf das Geheimnis des «nie versiegenden Säckels» niemandem anvertrauen, nicht mal in Zukunft seiner Ehefrau. Er legt sich behutsam eine Identität zu, indem er sich einen Knecht und zwei Pferde anschafft. Auch als er später in seine Heimatstadt zurückkehrt und sich einen Palast baut, muss er sich die Identität eines Adligen konstruieren. Denn Bargeld allein hätte den Argwohn der Gesellschaft geweckt. So erwirbt er Hof und Gut eines verarmten Grafen und verfügt damit auch über Leute, so wie es sich für Adlige gehört.
Erst Georg Wickrams Roman "Von guten und bösen Nachbarn" 1556 handelt ganz im Bürgertum. In Wickrams Roman finden wir keinerlei Anlehnungen an frühere Epen und Sagen, sondern einen Roman der gänzlich im Bürgertum angesiedelt ist. Es handelt vom Bürgertum, es handeln im Roman Personen aus dem Bürgertum und der Roman addressiert Personen aus dem Bürgertum. Man sieht sehr schön an diesem Beispiel, dass das Bürgertum an Bedeutung gewinnt und sich selbst immer stärker definiert.
Ansonsten dreht sich alles um redliches Verhalten, natürlich auch gottesfürchtig sein, Pflichten erfüllen usw., und all dies eingebettet in dem Setting, in dem sich auch die Leserschaft befunden haben dürfte.