Guy de Maupassant, Bel-Ami
Der französische Schriftsteller Guy de Maupassant (1850-1893) führt ein seinen Romanfiguren gar nicht so unähnliches Leben. Der Autor, der mit anderen Größen seiner Zeit verkehrt, Emile Zolá kennt und sogar persönlicher Schüler von Flaubert ist, treibt sich in Paris gerne und oft mit Frauen unterschiedlichster Couleur herum, darunter auch solchen, die er für ihre Liebesdienste bezahlt. Dabei steckt er sich schon als junger Mann mit Syphilis an und stirbt im Alter von nur 43 Jahren.
Sein Roman „Bel-Ami“ wird 1885 veröffentlicht, ein durschlagender Erfolg, der allein in den ersten zwei Jahren in 50 Auflagen erscheint. Der Erfolg ist sicherlich auch der Verruchtheit des Romans geschuldet. Wir befinden uns im Paris des Fin de Siècle, mit seinen von Kokotten bevölkerten Cafés und Varietétheatern. Erzählt wird die Geschichte von George Duroy, einem schönen aber mittellosen Soldaten, der nun in Paris sein Glück versuchen will. Es ist die Geschichte eines Emporkömmlings, eines steilen sozialen Aufstiegs, der Duroy mit Hilfe von einer ganzen Reihe reicher, schöner Frauen gelingt. Nachdem ihn ein alter Bekannter in die bessere Gesellschaft einführt, schläft sich Duroy in kurzer Zeit durch den gesamten Bekanntenkreis. Erstes Opfer seines jugendlichen Charmes wird Clotilde de Marelle, eine verheiratete junge Frau, die den beiden ein Apartment als Liebesnest anmietet. Dann ist da Madeleine Forestier, der er völlig pietätslos am Sterbebett ihres ersten Mannes einen Heiratsantrag macht, Virginie Walter, die er benutzt, um sich an seiner Frau Madeleine zu rächen, und Walters Tochter Suzanne, die er benutzt, um sich an Monsieur Walter zu rächen.
Das alles tut er nicht der Liebe wegen, sondern mehr der Begierde und noch viel mehr des Geldes wegen. Geld spielt überhaupt die zentrale Rolle in diesem Roman. Fast auf jeder Seite begegnen dem Leser Preise: fünf Francs, 60 Francs, zwei Louisdor. Erst freut sich der arme George unbändig über die zwei Louisdor, später sind sogar zwei Millionen zu wenig, als er erfährt sein Gegenspieler habe ganze 20 Millionen. Einerseits verleiht das dem Protagonisten sehr hässliche Züge. Andererseits erklärt sich dieses Verständnis der Welt, in der jeder Gegenstand, und sogar jeder Mensch, seine Bedeutung in erster Linie durch seinen Geldwert erhält durch die krasse Armut Duroys, die wir so in der westlichen Welt heute kaum noch kennen. Geld hat für Duroy eine sehr konkrete Bedeutung und zwar aus der Not. Es ist Monatsende und er ist pleite, hat noch zwei Tage vor sich, aber nur noch Geld genug für zwei Mahlzeiten. Er beginnt also zu rechnen: Er kann entweder zweimal Frühstück ohne Abendessen oder zweimal Abendessen ohne Frühstück kaufen. „Er kannte nur zu gut die Hungerstunden vom Monatsende“ ist die Beschreibung einer fiktiven, aber durchaus realen historischen, Erfahrung. Geld ist für ihn vor allem ein Mittel gesellschaftlicher Teilhabe: Ohne diese Mittel kann er in keinem Café sitzen, kein Bier trinken, sich keine Liebe kaufen.
Obwohl Duroy einen beachtlichen Aufstieg hinlegt, wird er überschattet vom wahren Superstar dieser Geschichte: Madeleine Forestier. Sie ist nicht nur intelligenter als alle Männer dieses Romans zusammen, sie hält auch eine Rede, die es als proto-feministisches Manifest verdient ausführlich wiedergegeben zu werden: „Für mich ist die Ehe keine Kette – sondern ein Bündnis. Ich beanspruche stets volle Freiheit in meinen Handlungen, meinen Unternehmungen, meinem Ein- und Ausgehen, in allem. Ich vertrage weder Kontrolle, noch Eifersucht, noch Auseinandersetzungen über mein Benehmen . . . [Mein Mann müsste sich] verpflichten, mich als seine ebenbürtige Bundesgenossin zu behandeln, nicht aber als eine Untergebene und gehorsame Gattin. Ich weiß, meine Ansichten sind nicht die allgemein gültigen, aber ich ändere sie trotzdem nicht.“