Logo Sunflower

Books

Cover
Luther, Martin
Basel
1520
Titel

Luther, Martin: Eyn Sermon von dem Wucher, Basel 1520

Bemerkung

Erster Basler Druck der erweiterten Ausgabe, insgesamt 9. Ausgabe.

Bilder
Links
SF-Referenz

CM-200514

RFID

200514

RFID-Status

nicht zugewiesen

Buch-ID

200514

Erstellt

19.11.2022

Letzte Änderung

26.03.2023

Änderung durch

jconzett

Text allgemein

Die beiden Sermone zum Wucher, der sogenannte Kleine Sermon von 1519 und der Große Sermon von 1520, setzen sich mit Geiz, Zins und Wucher auseinander und prangern das öffentliche Wirtschaften auf dem Markt und im Handel an. Luther reagiert in diesen Sermonen auf die sich zuspitzende Lage der Bauern. Eine Häufung von Missernten, zuletzt in den Jahren von 1515 bis 1519, hatte die Bauern zu Kreditaufnahmen gezwungen, die oft in einen Verlust ihres Besitzes mündeten. Das mittelalterliche Zinsverbot im christlichen Raum war ins Wanken geraten. Das kanonische Kirchenrecht hatte das Zinsnehmen als Wucher verboten. Nun stellte sich die katholische Theologie, insbesondere Luthers Kontrahent Dr. Eck und die ihm folgende Tübinger Schule, auf die neue Situation ein und erklärte einen Zins bis fünf Prozent für akzeptabel. Luther wendet sich in seinen Sermonen grundsätzlich gegen den Wucher sowohl bei Warengeschäften (Handelskapital) als auch beim Leihen (Geldkapital). Besonderes Augenmerk widmet er dem Zinskauf, einer Art Hypothekengeschäft. Ein Schuldner setzte dabei ein Grundstück als Pfand für einen Kredit ein oder trat den Nießbrauch des Grundstücks ab, konnte dieses aber durch Tilgung der Schuld wieder zurückerwerben. Luther erkennt darin blanken Wucher. Dabei macht Luther das Gebot der Nächstenhilfe aus der Bergpredigt zur Leitperspektive für wirtschaftliches Handeln. Ausdrücklich orientiert er sich an Mt 5,40-42 und stellt drei Regeln auf: Bedürftigen ist umsonst zu geben, Leihen soll ohne Zins erfolgen und was mit Gewalt abgedrungen wird, soll man in Liebe fahren lassen. Seine Begründung ist theologisch: Gott ist ein Gott der Armen und Bedürftigen. Wahrer Gottesdienst besteht darum im Geben und Leihen (ohne Zins).

Zu Luthers Zeit gab es Grund genug, sich mit der Wirtschaft und dem Geld zu befassen, denn damals entstanden die ersten großen Handelsgesellschaften, wie die der Fugger und Welser, die weltweite Handelsbeziehungen knüpften – gleichsam eine frühe, erste Form der Globalisierung. In dieser Zeit wurde außerdem die Naturalwirtschaft endgültig von der Geldwirtschaft abgelöst, und es entstand eine frühe Form des Bankwesens. Dabei spielte die Frage des Zinsnehmens eine zentrale Rolle. Dies ist ja in der Bibel verboten (2. Mose 22,24; 3. Mose 25,36), stellt aber zugleich eine wesentliche Voraussetzung für Geldgeschäfte dar.

Martin Luther hat nicht nur in Predigten zu wirtschaftlichen Fragen Stellung bezogen, sondern mehrere Schriften veröffentlicht, in denen er sich speziell mit solchen Themen befasst hat: Schon 1520 schrieb er den kleinen und den großen „Sermon vom Wucher“ und äußerte sich auch in seinem fast gleichzeitig erschienen Buch „An den christlichen Adel deutscher Nation“ zu solchen Fragen. Ausführlich behandelte er das Thema wenige Jahre später in „Von Kaufshandlung und Wucher“ (1524) und kam auch sonst gelegentlich auf das Thema zurück.

So aktuell die wirtschaftlichen Fragen damals auch waren, so wenig war Luther von seinem Werdegang her darauf vorbereitet. Als Bettelmönch hatte er Armut gelobt und lebte im Kloster ohne eigenes Geld – und damit ohne Verantwortung für den Umgang mit Geld. Die wirtschaftlichen Fragen gingen ihn persönlich nichts an und sie interessierten ihn auch nicht. Selbst später, nachdem er das Kloster verlassen und einen eigenen Hausstand gegründet hatte, überließ er die Geldgeschäfte lieber seiner Frau Katharina, die das Geld der Großfamilie Luther geschickt verwaltete.

Sogenannte "große" Ausgabe des berühmten "Sermon von dem Wucher". Nur diese in Basel gedruckte Ausgabe wurde unter dem weniger konfrontativen Titel herausgegeben. Zuerst 1519 erschienen, vertritt Luther hierin bekanntermaßen die Auffassung, das gute Christen gemäß Matthäus 5, 42 stets zinslos leihen sollten. Echte Christen sollen "willig und gerne leihen und borgen... ohne allen Aufsatz und Zins" (Matthäus). - Nur diese Ausgabe hat den von Petri verwendeten schönen Holzschnitt aus der Plenarfolge von Hans Schäufelein, die einen Reichen darstellt, der mit seinem Verwalter am Tisch in einer offenen Halle abrechnet. - Sehr schönes, sauberes Exemplar.

Ein paar zusätzliche Informationen zu Luther als Ökonom zusammengetragen resp. mich noch ein bisschen über die Bedeutung der im Antiquariat „Tresor am Römer“ angebotenen Druckschrift von 1520 informiert.

1.) Wir müssen uns bewusst sein, dass es sich um wenig Seiten handelt. Es sind insgesamt 18 unnummerierte Blätter, was meines Wissens 36 Seiten ergibt. Die Bindung ist neu, scheint aber sehr attraktives Halbleder mit einem marmorierten Einband zu sein. Nach Angaben von Frau Widuwilt ist der Druck sehr frisch und von bester Qualität.

2.) Es handelt sich nicht um eine Erstauflage, aber um ein Flugblatt aus der Zeit Luthers, drei Jahre nach dem Anschlag der Thesen in Wittenberg. Das ist auch der Grund für den relativ hohen Preis für so wenig Seiten. Ich fände es sehr schön, ein Exemplar aus der Zeit zu haben, weil man daran sehr gut zeigen kann, wie schnell sich die Botschaften Luthers mittels der Druckerpresse verbreiteten.

3.) Es ist ein lange überholtes Vorurteil, dass die Bauernkriege von 1525/6 religiöse Gründe hatten. Grund war eine tiefgehende Wirtschaftskrise, und es ist beachtlich, dass Luther versucht, zu dieser Krise ein theologisches Statement abzugeben. Die Schlagkraft der Reformation wird erst durch die damalige wirtschaftlich-politische Situation verständlich. Die Predigt könnte ein schöner Ausgangspunkt sein, um diese Geschichte zu erzählen.

Wenn Du Dich in den Hintergrund einlesen willst, habe ich Dir ein paar Links zusammengestellt:

1.) Hier hast Du eine andere Ausgabe dieser Predigt als pdf in der Digitalen Bibliothek, damit Du Dir den Text ansehen kannst, der erfreulicherweise in deutscher Sprache ist. https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10161495?page=1

2.) Ich habe einen ganz ordentlichen Aufsatz über Luthers ökonomisches Denken gefunden. https://www.forumaugsburg.de/s_6kultur/Religion/180225_martin-luther-und-der-fruehkapitalismus/druckversion.pdf

3.) Das ist pure Wissenschaft und nicht so gut zu lesen, aber hoch spannend. Hier schildern zwei anerkannte Wirtschaftshistoriker den wirtschaftlichen Hintergrund zur Zeit der Reformation. https://media.dav-medien.de/sample/9783515111140_p.pdf

So, und jetzt möchte ich noch einmal eine Entscheidung von Dir, ob Dir die wenigen Seiten, die allerdings zeitgenössisch sind, die 2.800 Euro wert sind.

Text Team

Ähnlich wie Luther kritisierte auch Karl Marx den Kapitalismus als Götzendienst. Er nannte die allgemeine Anerkennung des Marktgeschehens, als ob es ein Naturgesetz sei, einen Warenfetischismus, der über die strukturelle Ungerechtigkeit des Produktionsgeschehens hinwegtäusche. Diesen Fetisch zu lüften, wird in Zeiten des weltweiten neoliberalen Totalitarismus immer dringlicher. Alle Kirchen, Papst Franziskus, die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (348 Mitgliedskirchen), der Lutherische Weltbund und der Reformierte Weltbund haben nach der Jahrtausendwende den herrschenden Neo-Liberalismus als destruktiven und menschenfeindlichen Götzendienst charakterisiert und dazu aufgefordert, sich ihm zu widersetzen. Leider ist davon nichts zu spüren.